Mit gut aufgestelltem Management in die digitale Transformation
Unter dem Motto „Leadership & Digital Transformation“ stellt der 11. Swiss eHealth Summit vom 11.-12. September 2018 die Frage, wie digitale Veränderungsprozesse organisiert und nutzbringend umgesetzt werden können. Prof. Dr. Jürg Blaser, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI) und Rainer Herzog, General Manager der HIMSS Europe geben Ausblick auf das nationale eHealth Event der Schweiz.
Was steht hinter dem Konferenzmotto „Leadership & Digital Transformation“ und welchen Brückenschlag gibt es zum Vorjahresthema „Innovation“?
Herzog: Mit der Fokussierung auf das Management in der Digitalisierung ging es uns gezielt um die Frage, wie Innovationen in den Gesundheitsorganisationen umgesetzt werden: Neue Technologien und Themen wie Big Data, künstliche Intelligenz und personalisierte Medizin sind vielversprechende Ansätze – doch müssen wir uns gleichzeitig darum kümmern wie wir diese in der Organisation erfolgreich umsetzen können. Das ist das Anliegen des Summits 2018.
Die neuen Ansätze haben tiefgreifende Konsequenzen auf die Art und Weise, wie Gesundheitsorganisationen funktionieren: auf Prozesse, Strukturen und letztlich die Rolle von Ärzten, Pflegepersonal und Patienten. Mit der Kernfrage, wie wir diese Transformation managen und dabei auch die Menschen mitnehmen, wendet sich der Summit 2018 gezielt an Manager und Führungskräfte im Gesundheitswesen: Diese haben die Verantwortung, die Veränderung zu treiben und zu führen.
Welche Themen behandelt das diesjährige Programm intensiv?
Herzog: Wir beleuchten mit den vier Themenblöcken „Change Management“, „Patient Engagement“, „Building Interoperability“ und „Turning Data into Value“ die Dimensionen der gegenwärtigen Veränderungen. Wir diskutieren, wie sich diese auf die Organisationen und die Patienten erstrecken. – bis hin zur Interoperabilität zwischen den Stakeholdern und dem finalen Nutzen, der für Patienten, Ärzte und Organisationen entsteht.
Blaser: Im Grunde zeitlose Themen der Medizininformatik. „Change Management“ beschäftigt die IT-Leiter der Gesundheitsorganisationen schon seit 40 Jahren. Die einzige Konstante ist der Wandel durch technologische und politische Treiber: in der Schweiz aktuell durch das ePDG und die Swiss Personalized Health Network (SPHN) Initiative, aber auch durch Entwicklungen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz und Genetik.
Inwiefern gewinnt das Thema „Patient Engagement“ für Spitäler an Bedeutung?
Herzog: Patientendaten und die Einbindung der Patienten spielen in allen Bereichen zunehmend im Fokus, nicht nur für das Disease Mangement, sondern auch für die Zulassung neuer Arzneimittel. Das ist die nächste grosse Herausforderung für alle Beteiligten im Gesundheitswesen.
Blaser: Patient Empowerment entspricht dem Zeitgeist: Patienten verstehen heute zunehmend weniger, weshalb sie mit Apps auf ihre Bankdaten zugreifen können, jedoch nicht auf ihre Gesundheitsdaten, die derzeit noch in den Silos der Gesundheitsinstitutionen deponiert sind.
Welche Verbesserungen beobachten Sie seit dem Entscheid zur Einführung des ePD 2017 am Schweizer Gesundheitsmarkt – und welche Herausforderungen ergeben sich daraus?
Blaser: Die Nutzung digital erfasster Informationen innerhalb der Spitäler verbessert sich zunehmend – gemäss dem Credo: einmal erfasst, mehrfach verwendbar. Die betriebsinterne Kooperation ist mittels Schnittstellen inzwischen gut ausgebaut. Im Unterschied dazu ist betriebsübergreifend wenig bis gar kein strukturierter, maschinenlesbarer, semantischer Datenaustausch realisiert. Der derzeitige Transfer von digitalisierten Dokumenten entspricht eher einem modernen Fax-Konzept: für Menschen ist ein PDF-Bericht zwar lesbar, jedoch sind die Informationen nicht ohne aufwändige und heute noch unzuverlässige Features wie NLP automatisiert weiterverwendbar. Damit wir Daten zukünftig automatisiert extrahieren können, beschäftigen wir uns am Summit 2018 mit Interoperabilität zur betriebsübergreifenden Kooperation. Wir fragen also, mit welchen Standards und Methoden zuweisende Ärzte, Spitäler, Reha-Kliniken und Gesundheitsdatenbanken miteinander kommunizieren.
Welche Hürden sehen Sie für die digitale Transformation im Schweizer Gesundheitswesen noch?
Blaser: Die Dokumentation stellt neue Anforderungen: wir brauchen eine semantisch strukturierte Erfassung zur Sekundärnutzung von Daten. Das erfordert sorgfältige technische Umsetzungen, insbesondere um die Benutzenden vor mehr Eingabezeit zu verschonen. Darüber hinaus ist die nachhaltige Finanzierung der ePD-Infrastruktur eine zentrale Herausforderung. Ein weiterer Knackpunkt ist die Einbindung der Gesundheitsdaten aus dem ePD in den klinischen Ablauf: sind ePD-Daten im KIS nicht integriert, müssen Behandler stets zwei Quellen konsultieren – ein Zeitproblem, und damit verbunden auch ein Qualitätsproblem. Die Integration dieser betriebsextern vorhandenen medizinischen Daten erfordert ein spezielles Augenmerk.
Was macht den Summit für Fachbesucher so spannend?
Herzog: Die Teilnehmer erfahren konkret, wie man die neuen technologischen Ansätze in der Praxis umsetzt: wir zeigen also über das Vorhandensein neuer technologischer Ansätze und Pilotprojekte hinaus praktische Umsetzungsstrategien. Konkrete Hilfestellungen und Fallbeispiele für das, was den Manager in der Gesundheitsbranche umtreibt, ist das, was die Besucher am Ende des Tages mitnehmen.
Blaser: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat an Schwung gewonnen und die digitale Transformation ist in den Geschäftsleitungen angekommen. Das spricht für eine intensive und kontroverse Auseinandersetzung. Der Summit bietet dafür ein Forum und ermöglicht eine Standortbestimmung. Der professionelle Austausch zur Vielzahl an Entwicklungen ist zur Meinungsbildung, Vernetzung und Fehlerkorrektur ganz wichtig. Mit dem Stade de Suisse in Bern haben wir uns 2018 ausserdem für ein ganz spezielles Ambiente entschieden.
Gibt es schon Details zu den Keynote Speakern und Sessions?
Herzog: Verraten kann ich, dass wir mit Prof. Dr. Peter Meier-Abt den Direktor der SPHN-Initiative als Speaker an Bord haben. Prof. Christian Lovis vom Unispital Genf wird sich mit einer Keynote zum Thema „Reboot Health Informatics“ kritisch der Herangehensweise vieler Implementierungen widmen. Dort geht es primär darum, dass wir nur dann Früchte von den neuen Technologien ernten, wenn wir uns trauen, Strukturen und Prozesse tiefgreifend zu verändern, indem wir z.B. Daten aus verschiedenen Quellen sammeln und nicht länger in Silos horten. Nur dann können wir in der Schweiz Population Health Management und personalisierte Medizin betreiben.
Programmpunkte wie „Radiologie und Imaging“ widmen sich den jüngsten Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz und der Neudefinition von Berufsbildern, denn die Rolle der Ärzte wird sich in Zukunft ändern. Fallbeispiele gibt es aus den ePD-Stammgemeinschaften ausgewählter Kantone.
Was macht den Summit aus Industriesicht attraktiv?
Herzog: Für Aussteller ist das Event eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich nicht nur als Software- oder Hardware-Lieferant zu präsentieren, sondern als Lösungsanbieter. Gerade den Krankenhäusern ist es in der Umsetzung wichtig, nicht nur eine Technologie einzukaufen, sondern Orientierung zu bekommen, wie man das KIS in die Organisation integriert und zukünftig mit Patientendaten umgeht. Viele Schweizer Spitäler sind jetzt dabei, ihre Entscheidungen zu treffen. Industrieaussteller können sich somit auf dem Summit als Partner positionieren.
Vielen Dank für das Gespräch.
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Prof. Jürg Blaser |
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Rainer Herzog |
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